16.11.07: Links in die Blogosphäre
Worüber die meisten Medien meiner Beobachtung nach auch weiterhin schweigen: Über dieses seltsame Gebahren von 26 SPD-Abgeordneten, erst für die Vorratsdatenspeicherung zu stimmen, anschließend aber in einer gesonderten Erklärung festzuhalten, dass sie Teile des gerade von ihnen gebilligten Gesetzes als höchstwahrscheinlich verfassungswidrig ansehen, die Verantwortung dafür jedoch billig ans Bundesverfassungsgericht abschieben.
Das Schnüffelblog dazu:
Dass (ein Teil) des Gesetzgebungsorganes dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung überlassen möchte, ob die Regelung verfassungskonform ist, ist für mich mit Worten nicht mehr beschreibbar, ohne dass ich beleidigend werde. Der Gesetzgeber darf sich nicht auf das BVerfG verlassen, um den Stall auszumisten, weil er bereits selber dafür Sorge zu tragen hat, dass die Grundrechte beachtet werden.
Die MdB bekommen Geld dafür, dass sie ihren Job erledigen. Also sollten sie auch den Job erledigen und nicht die ihnen obliegenden Kernfragen an das BVerfG durchreichen. Es ist zu hoffen, dass der beim BVerfG zuständige Senat klare Worte für die zu Protokoll gegebene Erklärung findet. (Quelle: Spitzelblog.blogspot.com)
Udo Vetter schreibt im Law Blog:
Ich hätte es für denkbar gehalten, dass der eine oder andere Abgeordnete verfassungswidrige Gesetze abnickt, weil er dämlich ist. [...] Allerdings war es für mich bislang unvorstellbar, dass Abgeordnete ein Gesetz verabschieden, das sie für verfassungswidrig halten. Aber das ist jetzt geschehen. [...] Weiteres Argument: Man habe doch schon so viel erreicht. Durch einige Milderungen zu den ursprünglichen Plänen sei die Sache "weniger unerträglich". Das ist eine Formulierung mit Ewigkeitswert. Sie wird mich noch erheitern, wenn es längst unerträglich ist. (Quelle: Lawblog.de)
Ich hatte ja noch spekuliert, ob die Abgeordneten nicht eventuell irgendwie zusätzlich zum üblichen Fraktionszwang unter Druck gesetzt worden sind. Denn wer gibt freiwillig solch eine dämliche Zusatzerklärung ab, die wie kaum etwas anderes die eigene Inkompetenz aufzuzeigen scheint? Mir erschien es tatsächlich wahrscheinlicher, dass diese Zusatzerklärung ein versteckter Hilferuf ist von verzweifelten Abgeordneten, die auf diese Art und Weise mitteilen wollen, dass sie Gefangene des Systems sind und eben eigentlich nicht freiwillig mitmachen. Vielleicht ist es aber wirklich so, dass diese 26 SPD-Abgeordneten schlicht und einfach ein paar Sensibelchen sind. Thomas Knüwer spricht gar von "Weicheiern".
Ein "akuter Fall von Sarah Conner" bei der ebenfalls zu den 26 Unterzeichnern gehörenden Andrea Nahles untermauert die These von den 26 SPD-Sensibelchen. Alarmschrei.de weiß zu berichten, dass Andrea Nahles auf kritische Fragen bezüglich ihres Abstimmungsverhaltens und bezüglich ihres nachträglich mit den anderen 25 SPD-Abgeordneten abgegebenen "Entschuldigungsversuchs" etwas gereizt reagiert hat beim Portal Abgeordnetenwatch.de:
"ich frage mal zurück, was haben sie sich denn gedacht wie die Mehrheitsfindung, die nunmal unerläßlich ist in einer stabilen!!!!! Demokratie ist, funktioniert? Es ist nie einfach so eine Abwägung zu treffen, dass dürfen sie mir glauben. Aber ich stehe dazu, dass ich nicht nur Einzelfragen, mich selbst mit meiner Meinung in die Waagschale einer solchen Frage werfe, sondern das sog. »Große und Ganze«." (Quelle: Alarmschrei.de)
Was diese Reaktion von Andrea Nahels mit Sarah Conner zu tun hat, erfährt man in den Kommentaren bei Alarmschrei.de. :-)
Eine SPD-Mitgliedschaft scheint also zur Verweichlichung zu führen. Eine GDL-Mitgliedschaft jedoch zeugt von Härte. Darüber freut sich Don Alphonso (und ich auch):
Denn während die Arbeiterpartei SPD in Berlin zum Betvorleger der Lobbies umgeschneidert wird, zeigen die Lokführer eben jener im ICE und Flieger von Kongress zu Politshowveranstaltungen tingelnden Klasse, was eine Harke ist. Die Lokführer sind noch nicht solche entrechteten Jobber wie die Mitarbeiter der Pin AG, deren Treiber von der CDU so liebreich unterstützt werden, die haben noch die Härte, dem Land mal zu zeigen, was ein Arbeitskampf ist. Ein Kampf nämlich, in dem es um die Demonstration von Macht geht.
Und es wirkt. Es trifft das System Deutschland an einem seiner zentralen Schwachstellen [...]. Dieser Streik tut weh, und es ist gut für dieses Land, den Schmerz mal wieder kennenzulernen, den die Powerpointwichser der Consulter, Stiftungen, Initiativen und Sachbearbeiter gern abstellen würden [...]. Und das ist dann auch die Gefahr für das System: Dass die Leute merken, dass sich der Kampf lohnt. (Quelle: Rebellmarkt.blogger.de)
Die SPD, so lernen wir also, ist fleißig bemüht, das bestehende System ("das Große und Ganze") zu belassen, wie es ist. Nötig dazu ist ein kompliziertes Sich-Winden mit langen Worten, ein Herabwürdigen kritischer Nachfragen und natürlich die verdachtsunabhängige Speicherung des Kommunikationsverhaltens aller Bürger. Die aufmüpfige, kleine Bahngewerkschaft GDL hingegen will das System ein klein wenig ändern. Und was macht sie und wie wird sie es vermutlich erreichen? Durch Standhaftigkeit und Vertrauen in die Gerechtigkeit und Richtigkeit der eigenen Sache. Na sowas!
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