Sonntag, 2. Dezember 2007

Geld für PISA-Testteilnahme: Welche Folgen hat das?

Ich lese gerade in mehreren Artikeln, dass manche Länder beim PISA-Test den Schülern für ihre Teilnahme Geld oder Gutscheine übergaben - für die Teilnahme an sich und wohl nicht je nach ihrem Abschneiden beim PISA-Test.

Und ich merke den Medienberichten eine gewisse Konfusion an, weil davon gesprochen wird, dass die Wissenschaftler sich uneins seien, ob solch eine Entlohnung oder "Aufwandsentschädigung" nun die Ergebnisse beeinflusst haben könnten oder nicht.

Hier muss man zwischen zwei Beeinflussungsmöglichkeiten unterscheiden:

1.) Es könnte sein, dass bei den Schülern die Leistungsmotivation beim Durchführen des Testes erhöht wurde und sie so bessere Leistungen abgaben als jene Schüler, die für die Teilnahme nichts bekamen.

Hier wird berichtet, dass Vortests ergaben, dass solch ein leistungssteigernder Effekt anscheinend beim PISA-Testkatalog nicht signifikant nachgewiesen werden konnte. Eigentlich sollte ein Test, der das Wissen abfragen will, auch so konstruiert sein, dass er nicht die Motivation der Schüler misst, sondern eben ihr Wissen. Es wäre also ein schlechtes Zeichen für die Validität des PISA-Tests, wenn kleinere Motivationsunterschiede der Schüler bereits große Auswirkungen hätten auf das Test-Ergebnis. Es ist davon auszugehen, dass man bei der Konstruktion des PISA-Testverfahrens darauf geachtet hat, solch eine Verfälschung des Ergebnisses durch die Motivation der Kinder möglichst auszuschließen. Außerdem kann man davon ausgehen, dass Schüler, die am Test teilnehmen - egal ob sie dafür Geld bekamen oder nicht - allgemein daran interessiert sind, gut abzuschneiden. Eine normal hohe Motivation kann also erwartet werden. Geldgeschenke können diesen Motivationsgrad vermutlich kaum dermaßen anheben, dass die Leistungsergebnisse signifikant ansteigen. Dies zeigen unterschiedliche psychologische Studien zur Wirkung der Entlohnungshöhe auf die Leistungsbereitschaft. Nicht die tatsächliche Höhe der Entlohnung spielt hierbei die größte Rolle, sondern die Wahrnehmung der Entlohnung als angemessen. Schon das eigene Selbstbild drängt einen normalerweise dazu, sich einigermaßen intensiv anzustrengen. Erleben die Kinder die Teilnahme am PISA-Test also nicht als unfair, sollte auch bei einer nicht vorhandenen Aufwandsentschädigung bei der Mehrheit der Schüler eine normal hohe Motivation gegeben sein. Ausreißer nach unten hinsichtlich der Motivation, also Schüler, die absolut nicht motiviert sind und sich bewusst verweigern, sollten durch im Test eingebaute Vorgaben aussortiert werden können oder sich statistisch ausgleichen.

2.) Schwerer wiegt die Vermutung, dass dank der finanziellen Anreize sich vor allem nur bestimmte Schüler für die Teilnahme am PISA-Test meldeten. Statt also einen Durchschnitt aller Schüler eines Landes zu messen, hätte man dann nur jene Schüler gemessen, die den Test vielleicht eher nicht freiwillig durchgeführt hätten. Denkbar ist auch, dass es rund um die Implementierung einer Zahlung einer Aufwandsentschädigung andere Auswahleffekte gegeben hat. Vielleicht wurden so beispielsweise über die Möglichkeit, am Test teilzunehmen (und sich mal eben 50 Dollar zu verdienen) nur jene Schüler informiert, die allgemein gut informiert sind über das, was an ihrer Schule vorgeht. Oder vielleicht wurden von Lehrern sogar gezielt Schüler mit der Möglichkeit der Teilnahme "belohnt"? Aus der Testteilnahme könnte so durch die Aufwandsentschädigungen ein begehrtes, knappes Gut geworden sein, das sich vor allem erfolgreichere Schüler angeln konnten als Möglichkeit für einen kleinen Zusatzverdienst.

Das Problem wäre also weniger, dass Schüler durch Geschenke stärker motiviert wurden bei der Durchführung des Tests, sondern dass die Einführung einer Aufwandsentschädigung in manchen Ländern einhergegangen sein könnte mit einer speziellen Auswahl spezieller Schüler. Dies wäre jedoch kein Fehler am Testdesign des PISA-Tests selbst, sondern ein Fehler bei der Durchführung des PISA-Tests. Anders gesprochen: Wer ein Messinstrument falsch anwendet, darf sich nicht wundern, wenn er unbrauchbare Messergebnisse bekommt. Wer die Temperatur nicht im Schatten, sondern in der Sonne misst, darf sich nicht wundern, wenn er andere Messergebnisse bekommt als die der örtlichen Wetterstation.

Aber ich weiß schon, wie man diese neuen Nachrichten rund um den PISA-Test am Montag in Deutschland politisch kommentieren wird. Und das weiß ich, obwohl ich keine Kristallkugel im Schrank habe.

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