Samstag, 31. März 2007

Beim Thema "Sicherheit" regiert Hysterie statt Vernunft

Das Herstellen von Sicherheit ist immer mit unterschiedlichen Arten von Kosten verbunden. Diese Kosten können zum Beispiel Geldausgaben sein (mehr Polizei bedeutet mehr Personalkosten...). Oder es können Zeitkosten sein (umfangreichere Flughafensicherheitskontrollen kosten mehr Zeit...). Oder es sind abstrakte Kosten wie die Risikoerhöhung des Datenmissbrauchs bei der Vernetzung von Überwachungsdaten oder die Einschränkung der Privatsphäre der Bürger.

Vielleicht könnte man sagen: Sicherheitsmaßnahmen schränken immer irgendwie die Handlungsfreiheiten ein. Deshalb ist es normalerweise nötig, solche Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich ihres Kosten-Nutzen-Verhältnisses genau anzuschauen. Das will die Bundesregierung aber seltsamerweise bei Maßnahmen, wo es um die Herstellung von Sicherheit geht, nur selten machen.

Der Grund dürfte klar sein: Sicherheit verkauft sich für Politiker gut. Sicherheitsmaßnahmen gehen weg wie warme Semmeln. Das Volk will Sicherheit. Ob bei Lebensmitteln oder beim Reisen im Flugzeug. Dass diese Sicherheits-Semmeln bei zu viel Verzehr kontraproduktiv und giftig wirken, das verschweigt man lieber.

Und das ist verantwortungslos.

Ein weiteres Beispiel dieser populistischen, unverantwortlichen Politik bringt Süddeutsche.de: Die Sprengstoff-Lüge.

Es geht darum, dass die derzeitigen Maßnahmen an Flughäfen zum Schutz vor Sprengstoffanschlägen durch Flüssig-Sprengstof (Plastikbeutel-Manie) großer Unsinn sind und enorme Kosten verursachen, ohne wirksam zu sein.

Jedoch:

Auf die Frage der FDP-Abgeordneten, ob die Bundesregierung die Flüssigkeiten-Kontrollen noch für ein geeignetes Mittel halte, den Terror zu bekämpfen, antwortet sie: "Ja, die Beschränkung der Flüssigkeitsmenge reduziert das Risiko eines terroristischen Anschlages mittels Flüssigsprengstoff." (Quelle)


Das Risiko mag minimiert werden. Nur zu welchen Kosten? Bei Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit verlieren Politiker regelmäßig jedes Augenmaß.

Die korrekte Risikobewertung ist für Laien dabei natürlich außerordentlich schwierig. Umso wichtiger wären wirklich unabhängige Experten, die beratend zur Seite stehen. Leider hören Politiker aber allzu oft auf Experten, die nicht unabhängig sind oder benutzen gleich das undurchschaubare Problemfeld "Sicherheit" als Mittel, um sich zu profilieren.

Das gilt für sicherheitsfanatische Innenexperten genauso wie für allzu verbohrte Öko-Anhänger, die jedes strahlende Handy verbieten möchten.

Update: Lesetipp zu dieser Problematik: The Psychology of Security, von Bruce Schneier.

Ein Auszug:

It makes no sense to just look at security in terms of effectiveness. "Is this effective against the threat?" is the wrong question to ask. You need to ask: "Is it a good trade-off?" Bulletproof vests work well, and are very effective at stopping bullets. But for most of us, living in lawful and relatively safe industrialized countries, wearing one is not a good trade-off. The additional security isn't worth it: isn't worth the cost, discomfort, or unfashionableness. [...]

There are several specific aspects of the security trade-off that can go wrong. For example:

1. The severity of the risk.
2. The probability of the risk.
3. The magnitude of the costs.
4. How effective the countermeasure is at mitigating the risk.
5. How well disparate risks and costs can be compared.

The more your perception diverges from reality in any of these five aspects, the more your perceived trade-off won't match the actual trade-off. (Quelle)


Im Folgenden listet Bruce Schneier Forschungsergebnisse der Wissenschaft auf, die belegen, wo wir Menschen oft völlig fehl gehen bei der Einschätzung von Risiken.

Die Tragödie ist, dass Schäuble & Co. anscheinend nicht einmal die Diskussion zulassen, dass ein Trade-Off bei Sicherheitsmaßnahmen nötig ist. Nein, nach ihnen muss man zum Herstellen von Sicherheit "alles Menschenmögliche tun". Und selbst wenn man ein Trade-Off vollzieht: Von den vielen, möglichen Fehleinschätzungen, denen wir dann beim Trade-Off zwischen Risiko und Nutzen unterliegen, werden Schäuble & Co. vermutlich noch nie etwas gehört haben.

Und so werden wir von Idioten Unwissenden und Ignoranten regiert. Viel Spaß noch, Deutschland, mit diesen Politikern und dieser inkompetenten, laienhaften, völlig unprofessionellen Politik.

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