Mittwoch, 14. März 2007

SPD und Union wollen "Deutschland 2.0"

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger listet in einem äußerst lesenswerten Artikel einmal auf, wie die deutschen Innen- und Rechtspolitiker in den letzten Jahren immer wieder vom Bundesverfassungsgericht zurechtgewiesen und zurückgepfiffen wurden:

Sorge um Grundrechte: Unbelehrbare Innenpolitiker (FR-Online.de).

  • Großer Lauschangriff
  • Außenwirtschaftsgesetz
  • Niedersächsische Polizeiaufgabengesetz
  • Rasterfahndung
  • Europäischer Haftbefehl
  • Luftsicherheitsgesetz
  • Urteil gegen Durchsuchung von Cicero-Redaktionsräumen
Nicht zu vergessen das Urteil des Bundesgerichtshofs gegen die Durchführung von Onlinedurchsuchungen.

All diese gescheiterten Gesetze oder vom Gericht verurteilte Handlungen haben eine Sache gemeinsam: Die Rechte der Bürger sollten beschnitten werden durch mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden - unter Missachtung jeglicher Verhältnismäßigkeit.

Und Leutheusser-Schnarrenberger beklagt weiter zu Recht, dass all diese bundesverfassungsgerichtlichen Schläge auf den Hinterkopf unserer Innen- und Justizminister nicht gefruchtet haben. Stattdessen werden weiterhin offensichtlich verfassungswidrige Polizeigesetze (Brandenburg) verabschiedet und die Pläne zum Bundestrojaner nicht nur weiter, sondern verstärkt parteiübergreifend verfolgt, als ob Deutschland keine Verfassung besitzen würde.

Mehr noch als die Vorhaben unserer Innen- und Justziminister und "Innenexperten" - wie zum Beispiel Wiefelspütz von der SPD-Fraktion - beunruhigt mich, dass es immer noch zu wenig politische, gesellschaftliche Gegenwehr gegen den Abbau der Grundrechte gibt. Es darf nicht alles immer nur am Bundesverfassungsgericht hängen bleiben, sondern diese Gesetzesvorhaben müssen vorher schon auf der politischen Bühne zerrissen werden. Dass es diese politische, mediale Auseinandersetzung immer noch nicht in ausreichendem Maße gibt, ist mindestens genauso schlimm für unsere Demokratie wie die verfassungswidrigen Gesetze selber.

Wenn die von Leutheusser-Schnarrenberger aufgelisteten, verfassungsfeindlichen Gesetze ohne große gesellschaftliche Diskussion verabschiedet werden konnten, was ist dann noch alles möglich?

Wer Gesetze gegen die Verfassung beschließt, will im Grunde genommen einen neuen, anderen Staat als den heutigen. Große Teile der SPD und der Union arbeiten somit auch auf diesem Gebiet zur Zeit kräftig an "Deutschland 2.0", dessen herausragendes Kennzeichen ist, dass die Bürger weniger Rechte und Einflussmöglichkeiten haben sollen. Dazu gehört die Entwicklung des Präventionsstaates genauso wie der Rückzug des Staates als Nivellierer und Regulierer gesellschaftlicher Unterschiede. Neoliberale Politik also führt nämlich insgesamt ebenfalls zu weniger Einflussmöglichkeiten der Masse der Bürger auf politische Entscheidungsprozesse.

Und genau dies ist vermutlich das Hauptmotiv hinter einem Großteil der Politik von SPD und Union: Die Einflussmöglichkeiten des lästigen Bürgers sollen beschränkt werden. Anders kann man sich den Widerspruch zwischen der Forderung nach "Mehr Staat" in punkto "Überwachung und Prävention" und dem Jammern über die "Überforderung des Staates" bei dem Ausgleich gesellschaftlicher Unterschiede nicht erklären.

Umgekehrt wird nämlich ein Schuh draus: Der Staat ist überfordert mit der Aufgabe, ein Präventionsstaat gegen Kriminalität und Terrorismus zu sein, aber nicht überfordert damit, gesellschaftliche Unterschiede zu nivellieren und somit für Gerechtigkeit zu sorgen. Erstere Aufgabe wird ihm deshalb auch erst heute angedichtet, letztere Aufgabe war jedoch schon immer die Aufgabe eines Staatswesens.

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3 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Tja .. die Antwort ist doch ganz einfach! Ein beachtlicher Teil der Gesellschaft würde schon diskutieren, auch gesamtgesellschaftlich. Nur kriegt der nirgendwo ein Forum!

Deshalb diskutiert er im wesentlichen im Internet mit seinesgleichen ... auch irgendwie widersinnig, aber besser als nix!

Und wenn sie nicht Frau Leutheusser-Schnarrenberger heißen und Ex Justiz(?) Ministerin wäre, dann würde ihre texte vermutlich auch keiner bringen!

VG, Daniel

Solon hat gesagt…

"Und wenn sie nicht Frau Leutheusser-Schnarrenberger heißen und Ex Justiz(?) Ministerin wäre, dann würde ihre texte vermutlich auch keiner bringen!"

Sehe ich genauso. Die spannende Frage ist, wer oder was undere Medien daran hindert, ein Forum für solche Diskussionen zu sein.

Anonym hat gesagt…

Tjaa ... Das werden wir wohl so schnell nicht erfahren, denke ich.
Oder sie sind tatsächlich uninteressiert. oder glauben, die bürger sind es.
Wer weiß!

VG, Daniel