Mittwoch, 9. Mai 2007

Kinderpornographie in Second Life: Report-Mainz verhunzt ein ernstes Thema

Ich habe heute die Wiederholung eines Beitrages vom ARD-Magazin "Report-Mainz" gesehen, bei dem es um Kinderpornographie in der virtuellen Welt von "Second Life" ging. Und wie eigentlich inzwischen immer kriegen es die öffentlich-rechtlichen Sender nicht hin, korrekt über ein Thema zu berichten, dass irgendwie mit dem Internet zu tun hat. Vermutlich, weil dem reichsten Sender Europas, der ARD also, das Geld fehlt, um Berichte gut auszuarbeiten.

Muss ich extra betonen, dass Kinderpornographie furchtbar ist? Ich tue es sicherheitshalber, um Missverständnisse auszuschließen.

TV-Capture aus dem Bericht von Report-Mainz: Angezogene, kindliche Avatare in Second LifeReport-Mainz zeigt, wie in Second Life virtuelle, comicartige Figuren (siehe nebenstehendes Bild aus dem Bericht mit angezogenen, kindlichen Avataren) virtuelle Bewegungen vollführen, die wie Sex aussehen. Der Bericht erwähnt nicht, dass nicht klar ist, wieviel Jahre alt die Bediener hinter diesen virtuellen, comicartigen Figuren in Second Life sind. Ein in Second Life kindlich aussehendes Mädchen kann also in der Realität von einem siebzigjährigen Mann gesteuert werden. Stattdessen spricht der Bericht immer von einem realen Missbrauch, der da gerade stattfinde - obwohl nur virtuelle Avatare zu sehen sind.

Es ist klar, dass dieses virtuelle Geschehen vor allem Pädophile anlockt. Nicht-Pädophile werden sich wohl schnell abwenden bei solchen Szenen. Ob hier jedoch ein Täterverhalten eingeübt wird, ist wissenschaftlich weniger klar gesichert als der Bericht glauben machen will. Es kann sein, es kann nicht sein. Von einem "Einbrennen" der Handlungen in die Gehirne der Teilnehmer kann schon gar nicht so einfach geredet werden. Wenn wir derart direkt gesteuert würden von Medien, wären jetzt alle Zuschauer des TV-Berichts potentielle Pädophile.

Natürlich sollten solche virtuellen Handlungen unterbunden werden in Second Life. Und sei es nur deshalb, weil solche comicartigen Abbildungen als ein Statement pro Kindesmissbrauch verstanden werden können. Wenn also auch in Second Life nicht real Kinder missbraucht werden, so ist schon die reine Darstellung, und sei es auch nur mit diesen comicartigen Avataren, von Missbrauchsszenen, eine Proklamation, dass Kindesmissbrauch etwas "Machbares" sei, etwas Akzeptables. Es ist wie eine Demonstration pro Kindesmissbrauch. Und das darf man nicht akzeptieren.

Der Bericht erwähnte dann auch noch, dass den Reportern in Second Life von einem anderen Second-Life-Nutzer auch noch reale kinderpornographische Bilder übermittelt wurden. Dies kann zum Beispiel auch in diversen Text-Chats im IRC oder sonstwo außerhalb von Second Life passieren und hat mit den zuvor gezeigten Aktivitäten virtueller Avatare erst einmal wenig zu tun.

In Deutschland ist auch die verfremdete, comicartige Darstellung von Sex zwischen Kindern und Erwachsenen - so wie dies an manchen Orten zwischen manchen Avataren in Second Life zu passieren scheint - offenbar strafbar. Dennoch hätte der TV-Bericht klar herausstellen sollen, dass völlig unklar ist, wer sich hinter diesen Avataren verbirgt, dass man also nicht weiß, ob sich hinter kindlichen Avataren auch Kinder verbergen oder nicht. Außerdem wurde nicht klar genug herausgestellt, dass diese Avatare anscheinend alle freiwillig an diesen Handlungen teilnehmen. Das eigentliche Problem bei Second Life sehe ich also vielmehr darin, dass eventuell Unbeteiligte, also auch Kinder (tatsächliche Kinder, nicht kindliche Avatare) ungewollt Zuschauer solcher Szenen werden können und dass die Darstellung von virtuellem Kindesmissbrauch als eine Meinungsäußerung pro Kindesmissbrauch verstanden werden muss und dass Second Life zum Tauschort realer kinderpornographischer Bilder werden kann - wie allerdings viele andere Chatsysteme im Internet auch.

Diese Differenzierungen hätte ich mir gewünscht.

Aber es war Report-Mainz. Es war die ARD und nicht die BBC. Es war deutsches, öffentlich-rechtliches Fernsehen. Und bitte schön... ich erwarte ja auch keine Differenzierungen von der BILD-Zeitung... Man schraubt halt mittlerweile seine Erwartungen einfach herunter und schluckt seinen Ärger über die monatlichen Rundfunkgebühren ebenfalls herunter. Es ist auch egal. Die öffentlich-rechtlichen Sender werden zwar weiterhin ihre Moneten bekommen, aber solche undifferenzierten Berichte bewirken automatisch, dass Menschen, die Ahnung haben, sich von diesen Sendern als Zuschauer abwenden. Und diese Menschen werden immer mehr werden. Die Relevanz von ARD und ZDF für die Bildung der öffentlichen Meinung wird so immer mehr abnehmen. Schon heute werden die öffentlich-rechtlichen Sender mehrheitlich nur noch von den Alten geguckt. Diese Menschen, die aus Gewohnheit oder aus Unwissen keine alternativen Angebote nutzen, werden jedoch immer weniger. So ist das eben mit den Alten.

Und die fehlenden Reaktionen auf den Bericht von Report-Mainz beweisen dies. Früher gab es nach Berichten von "Monitor", "Report" oder "Panorama" teilweise am nächsten Tag aufgeregte Politiker-Statements. Heute kümmert sich noch nicht einmal mehr irgendein Hinterbänkler darum, was in diesen Sendungen gelabert wird. Was schade ist, wenn eine dieser Sendungen tatsächlich einmal einen gut recherchierten Bericht bringt. Aber die Politiker brauchen schon nicht mehr auf diese Sendungen zu reagieren, weil sie wissen, dass sie kaum noch Relevanz besitzen. Und auch ich dachte nach dem Anschauen des Berichtes von Report-Mainz: Niemand, der auch nur etwas Ahnung vom Internet oder derartigen virtuellen Welten hat, wird auf den Versuch der Panikmache bei diesem Bericht hereinfallen. Stattdessen werden sich diese Menschen sagen: Ach ja... öffentlich-rechtlicher Rundfunk halt... Dummfunk halt. Muss ich also da noch kurz einen Weblog-Eintrag zu verfassen? Eigentlich nicht. Aber schaden kann es auch nicht. Ist ja kein Aufwand.

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2 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Gut geschrieben. Ich möchte nur anmerken, daß die Benutzung des sogenannten "Adult Grid" von Second Life, wo die ARD-Reportage gefilmt wurde, ausschließlich Erwachsenen über 18 Jahren vorbehalten ist, was von der ARD niemals erwähnt wurde. Es gibt keine Kinder in Second Life, außer auf dem streng kontrollierten "Teen Grid", wo wiederum Erwachsene keinen Zugang haben und jede Form von Sex-Rollenspiel untersagt ist.

Ebenso gibt es keinerlei sexuellen Mißbrauch in SL, da es technisch unmöglich ist, einen anderen Nutzer zu irgendwelchen Handlungen zu zwingen. Ganz davon abgesehen, daß in einer virtuellen Welt kein Sex stattfinden kann, nur Rollenspiel im beiderseiten Einvernehmen mit dem Mitspieler/Partner.

Die "Kinder", die von der ARD gefilmt wurden, sind Avatare - Kostüme von erwachsenen Menschen. Meines Wissens nach ist es nicht verboten, sich im realen Leben beim Sex zu verkleiden. Manche tragen ein Schulmädchenkostüm, andere tragen gern Windeln. Nichts anderes passiert in Second Life.

Man sollte ebenfalls bedenken, daß in virtuellen Welten wie SL, WoW oder Everquest alle Arten von kriminellen Handlungen spielerisch ausgeführt werden, von einfachem Diebstahl bis hin zu Massenmord. Es sind Computerspiele; was auch immer dort passiert ist nicht real und schadet dem (erwachsenen) Nutzer in keinerlei Weise.

Schließlich und schlußendlich ist Rollenspiel eine Form des künstlerischen Ausdrucks. Tätigkeiten werden nicht nur bildhaft dargestellt, sondern auch durch sog. Emotes beschrieben. Eine interaktive Kurzgeschichte, geschrieben von allen Beteiligten. Ich sehe hier keinerlei Unterschied zu Romanen wie z.B. "Lolita" von Vladimir Nabokov (1955) oder dessen Verfilmungen.

Solon hat gesagt…

Danke für deine Anmerkungen!

Dass es in Second Life besondere "Erwachsenen- und Kinderbereiche" gibt, wusste ich auch nicht.