Sonntag, 8. Juli 2007

Kranke Demokratie Deutschland

(Via NachDenkSeiten.de) Der Radiosender WDR 5 hat ein äußerst hörenswertes Interview mit dem Journalisten Jürgen Roth geführt. Es geht um Korruption in Deutschland, besonders um Korruption, in die politisch Verantwortliche verstrickt sind. Der vielzitierte Sachsensumpf ist hierbei nur ein Beispiel unter vielen. Roths Erkenntnisse sind erschreckend. So erschreckend vermutlich, dass andere Journalisten es nicht glauben wollen und die Dinge, die da in Sachsen unter der Decke schwelen als haltlose Gerüchte darzustellen versuchen, wie beispielsweise das ZDF-Heute-Journal - auf dessen Bericht Jürgen Roth übrigens auf seiner Homepage antwortet.

Jürgen Roth spricht im WDR5-Interview jedoch nicht nur über Sachsen, sondern er zeigt auf, dass in ganz Deutschland die Abhängigkeit der Justiz von der Politik zu Korruption geführt hat. Roth geht davon aus, dass sich ähnliche korrupte Netzwerke wie in Sachsen in ganz Deutschland finden lassen. Die Gewaltenteilung, in diesem Fall die Unabhängigkeit der Judikative von der Exekutive, sei, so Jürgen Roth, inzwischen in Deutschland eine Illusion. Verstärkt würde die Ohnmacht der Justiz gegenüber mit der Politik verquickter Korruption durch die seit Jahren bewusste Unterfinanzierung des juristischen Apparates und der Strafverfolgungsbehörden. Die Aufklärung komplexer Korruptionsfälle werde schon deshalb häufig liegen gelassen. Stattdessen würden sich Staatsanwälte lieber Kleinkriminellen widmen, weil hier schneller und einfacher Erfolge vorzuweisen sind, die in einem neuen Bewertungssystem den Staatsanwälten schneller und mehr Punkte einbringen als die Beschäftigung mit Fällen, die schwierig zu lösen sind. So spricht Sachsen auf Grundlage solch eines kruden Bewertungssystems auch stolz davon, die "schnellste" Justiz zu haben. So als ob Schnelligkeit das Hauptkriterium einer gut funktionierenden Justiz wäre.

Die Justiz ist also zu abhängig von Weisungen regierender Politiker und wird von der Exekutive derzeit kaputt gespart. Nimmt man dann noch hinzu, dass auch die Medien in Deutschland kaum mehr willens sind, lange Recherchen zu unterstützen (Roth selbst konnte seine Recherchen nur im Rahmen eines Buchprojektes durchführen, nicht etwa als Journalist einer Zeitung) und betrachtet man zum Schluss noch die Tatsache, dass in Deutschland letztlich auch die Legislative (die Parlamente also) in nicht unerheblichem Maße abhängig ist von der Exekutive, dann wird einem deutlich, dass es mit der Demokratie in Deutschland besser bestellt sein könnte als es zur Zeit der Fall ist.

Die Parlamente (Legislative) ist deshalb zu stark abhängig von der Exekutive, weil die Abgeordneten eben nicht unabhängig sind in Deutschland, sondern als Parteiangehörige an Fraktionszwang und zur Hälfte an einen Parteilistenplatz gebunden sind. In den deutschen Parlamenten kontrollieren sich also die regierenden Parteien durch ihre Mehrheit im Parlament quasi selbst in ihrer Regierungsarbeit. Die Parlamentarierer der Opposition haben bekanntlich nur geringen Einfluss. Wären die der Regierungspartei angehörigen Parlamentarier jedoch unabhängiger von ihrer Partei, käme es zu einer viel effektiveren Kontrolle der Exekutive durch die Legislative. Denn dann könnten die Abgeordneten bei Unregelmäßigkeiten der Regierung viel offensiver vors Schienbein treten.

Es sieht also sehr schlecht aus für die Gewaltenteilung in Deutschland: Sowohl Judikative (Justiz) als auch Legislative (Parlament) sind also allzu abhängig von der Exekutive (Regierung). Zudem fehlt es immer noch an einem stärkeren direkteren Einfluss der Wähler auf die Legislative beispielsweise durch Elemente der direkten Demokratie. Auch dadurch könnte die Unabhängigkeit der Legislative gegenüber der Exekutive gestärkt werden.

Mehr Elemente der direkten Demokratie und die Unabhängigkeit der Abgeordneten von den Parteien samt größerer Transparenz der Abgeordnetenarbeit und der Arbeit der Behörden erscheinen mir als die wichtigsten Mittel, um die Gewaltenteilung in Deutschland wieder zu stärken und um so auch solche Korruptionsfälle wie den "Sachsensumpf" effektiver bekämpfen zu können. Denn dann wäre die Exekutive gezwungen, sich den Nachforschungen der Justiz und der Parlamente stärker auszusetzen. Denn dann würden die Wähler mit ihren Interessen die Exekutive direkter zwingen können, die Justiz nicht finanziell verhungern zu lassen und so weiter. So wie es jetzt aussieht, muss man jedoch befürchten, dass die Demokratie in Deutschland langsam aber sicher eingeht.

Beschleunigt wird dieser Verfall der Gewaltenteilung zudem natürlich auch noch durch die Verschiebung von immer mehr exekutiver und legislativer Gewalt in Richtung des/r demokratisch kaum legitimierten und kontrollierten EU-Rates und EU-Kommission.

Technorati-Tags: , , , , , ,

1 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Nanu, beide Beiträge, die du verlinkt hast, sind auf den jeweiligen Servern verschwunden. Zensur? Komisch, dass kritische Berichte immer häufiger verschwinden.