Österreicher(in) müsste man sein...
... dann würde man vor fragwürdigen Abmahnungen deutscher Firmen eventuell verschont bleiben, vermute ich. Dies ist wohl die Lehre, die man aus diesem Stück ziehen muss.
Kurzzusammenfassung: Die deutsche Firma "Restposten24" drohte per E-mail einer anscheinend österreichischen Bloggerin namens "Zuckerwatte" mit rechtlichen Schritten wegen Kritik der Bloggerin an Restposten24. Es ist ja schon einmal positiv, dass Restposten24 nicht sofort eine kostenpflichtige Abmahnung schickte, so wie sonst üblich in Deutschland, sondern zunächst nur per E-mail drohte. Negativ ist, dass die Ausführungen von Restposten24 für mich nicht unbedingt nachvollziehbar waren.
Aufregung erzeugte in der Blogosphäre zudem, dass Restposten24 anscheinend auch einen weiteren Blogger, der nur über den Streit zwischen Restposten24 und Zuckerwatte berichtet hatte, ebenfalls aufforderte, seinen Artikel zu löschen. Und schließlich forderte Restposten24 gar, einen Kommentar eines anderen, mutmaßlich ebenfalls österreichischen Bloggers zu entfernen, der nur aus einem "Smiley" - also der Zeichenfolge ";-)" - bestand.
Mittlerweile teilte Restposten24 mit, anscheinend keine rechtlichen Schritte gegen die Blogger einzuleiten. Warum? Vielleicht, weil man gemerkt hat, dass sich solche Drohungen Kunden gegenüber nicht gut machen? Oder liegt es eventuell schlicht daran, dass man den bedrohten Bloggern rechtlich von Deutschland aus eventuell schlecht beikommen kann? Die zuerst per E-mail angeschriebene Bloggerin "Zuckerwatte" scheint nur per Pseudonym zu schreiben und wäre demnach für Restposten24 nicht so einfach per kostenpflichtiger Abmahnung zu erreichen. Und die anderen von Restposten24 angeschriebenen Blogger scheinen alle Österreicher zu sein. Ich vermute, dass Deutsche, die nicht unter Pseudonym schreiben, nicht so einfach weggekommen wären und vielleicht direkt - ohne Warnung per E-mail - eine kostenpflichtige Abmahnung von Restposten24 zugeschickt bekommen hätten. Das jedenfalls muss man mittlerweile als übliche Vorgehensweise in Deutschland von Firmen gegenüber Kritik von Privatpersonen an ihren Produkten oder ihren Dienstleistungen ansehen.
Auch ein Smiley könnte vor einem deutschen Gericht neuerdings durchaus als Angriff auf die Persönlichkeitsrechte von Restposten24 angesehen werden. Dies meine ich ernst. Das wäre durchaus denkbar, weil es momentan unklar ist, was ein deutsches Gericht alles als Beleidigung auffassen könnte oder nicht. Deutsche Gerichte tendieren nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2005 mittlerweile dazu, im Zweifelsfall alles als Beleidigung aufzufassen, was eventuell als solche verstanden werden kann und somit dann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (auch Firmen haben anscheinend in Deutschland ein Persönlichkeitsrecht) tangiert. Ich halte es unter diesen Umständen nicht für abwegig, dass ein deutsches Gericht urteilen könnte, dass ein Smiley als eine Zustimmung zu einer Aussage zu verstehen ist. Und wenn die betreffende Aussage beispielsweise eine unbewiesene Kritik oder eine Beleidigung gewesen ist, könnte auch solch ein Smiley in einem Kommentar als unzulässig gewertet werden.
Dass der Grund für den Rückzieher von Restposten24 tatsächlich darin liegen könnte, dass die betroffenen Blogger Österreicher sind, wird schließlich auch durch die Tatsache nahe gelegt, dass Restposten24 bislang nicht gegen den klaren Boykottaufruf ("Mein Fazit nach der ganzen Sache ist und bleibt: Finger weg von Restposten24.de.") eines der beteiligten Blogger vorgegangen ist. Ein Boykottaufruf ist zumindest in Deutschland mit einigen rechtlichen Risiken (siehe dort Abschnitt III "Kriterien für legale Konsumboykotte") verbunden. Wie das in Österreich aussieht, weiß ich nicht und ob eine deutsche Firma gegen einen Boykottaufruf eines Österreichers so leicht gerichtlich vorgehen kann, weiß ich auch nicht.
Jubelrufe darüber, dass eine Firma eingesehen hat, dass Drohungen gegenüber Kritikern nicht gut fürs Image sind, scheinen mir jedenfalls verfrüht zu sein. Die Gründe für den Rückzieher von Restposten24 könnten ganz woanders liegen. Als bloggende Privatperson ohne eigene Rechtsabteilung und Chefredaktion sollte man meiner Meinung nach also weiterhin bei der derzeitigen Rechtssprechung in Deutschland entweder genug Geld und Nerven haben und täglich (wirklich täglich!) eingehende Post auf mögliche Abmahnschreiben prüfen, oder eben - so lange die Politik nicht aufwacht und das Abmahnwesen neu regelt - aus schlichter Notwehr als Privatperson ohne gewerbliche Interessen unter Pseudonym schreiben, um so allzu hanebüchenen Abmahnungen wegen des Mehraufwands des Abmahners hinsichtlich der Recherche nach einer abmahnfähigen Adresse vorzubeugen.
Siehe dazu auch: Deutschland - Land der anonymen Blogger.
Nachtrag: Sascha weist in seinem Augs.blog auf die laufende Petition gegen den Abmahnwahn in Deutschland hin.
Technorati-Tags Restposten24, Abmahnung, Abmahnungen, Zuckerwatte, Helge.at
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