Montag, 20. November 2006

Gefangen im Netz: Keine Karriere bei schiefer Googlability

Genau passend zu meinen ersten Weblog-Einträgen und deren Themen: Die Wirtschaftswoche schildert in einem Artikel (leider nur in einem kleinen Auszug auch online verfügbar), wie sehr heute bereits professionelle Agenturen das Leben von z.B. Bewerbern anhand von öffentlich zugänglichen Daten durchleuchten. Glücklicherweise berichtet das CIO-Weblog ausführlicher über den Artikel: Googlability: Auf der Spur von Reiner Fakeman. Auch 27B Stroke 6 berichtete (wie schon in einem älteren Eintrag von mir erwähnt) ausführlich über die Arbeitsweise solch einer Agentur namens "ChoicePoint", die sogar vor der kriminellen Beschaffung von Daten nicht zurückschreckte und nun versucht, in den USA ihr Image wieder aufzupolieren: ChoicePoint's Comeback Tour.

Es geht also darum, dass vor allem Firmen, die offene Stellen besetzen wollen, Spezial-Agenturen beauftragen, die dann dank Internet und Google, aber auch wahrscheinlich unter Einbeziehung weiterer Datenquellen, häufig erschreckend detaillierte Portraits der "Zielpersonen" anfertigen können. In den USA gibt es z.B. zig Datenbanken, deren Inhalte bereits auch in den Händen von sogenannten Data Brokern gelandet sind. Selbst die Ermittlungsbehörden wenden sich da schon einmal gerne an solche Data Broker, statt den etwas komplizierteren Weg über die Einholung z.B. eines Durchsuchungsbefehls vor Gericht zu gehen (ZDNet: Law enforcement using data brokers). Das Problem dieser Datenbanken, aber auch der Informationen im Internet, ist, dass die Menschen, deren Daten dort erfasst sind, kaum mehr die Möglichkeit haben, auf ihre Daten Einfluss zu nehmen. Auch falsche Daten (ob nun aus dem Internet oder anderen Datenbanken) werden dann häufig von diesen Data Brokern weitergegeben. So berichtet 27B Stroke 6 z.B. von einem Fall, wo jemandem ein neuer Job verwehrt wurde, nur weil er zehn Jahre zuvor mit 22 Jahren eine Anzeige wegen ungebührlichen Benehmens (von der Schwere verlgeichbar mit einer Anzeige wegen Falschparkens) bekommen hatte: Databases That Never Forgive Even When Required To. Der Datensatz der Polizei geriet in die Hände der Privatwirtschaft. Die Behörden hatten die Eintragung über die Anzeige in ihren Datenbanken längst wieder gelöscht, als der junge Mann sich bei einer Firma um eine offene Stelle bewarb. Die Agentur jedoch, die die Firma mit der Durchleuchtung des Bewerbers beauftragt hatte, hatte noch den alten Datensatz und nahm die Eintragung mit in ihr Dossier über den Bewerber auf. Die Folge: Der Mann bekam den Job nicht.

Wer allerdings seine Daten über sein Leben selbst via nicht-pseudonymisiertem Weblog, via Flickr, YouTube, Kommentaren in anderen Weblogs und Foren und mit Hilfe von diversen Online-Business-Clubs à la OpenBC usw. im Internet ausbreitet, darf sich nicht wundern, wenn dies alles auch vom zukünftigen Personalchef begutachtet wird. Der dürfte interessiert lesen, ob man sich beispielsweise vorwiegend in nerdigen Computerspiel-Foren oder in Alkohol-affinen Weinkenner-Foren und ähnlichem herumgetrieben hat. Auch freundschaftlich gemeinte Kommentare von Bekannten oder Freunden über einen selbst könnten einmal zum Problem werden. Und schließlich: Auch die Verwendung von Pseudonymen stellt keine Garantie dar. Es reicht ja schon aus, wenn irgendwo das Pseudonym mit seinem realen Namen in Verbindung gebracht werden kann. Das Internet mit all seinen Diensten zu nutzen, ohne irgendwann einen hohen Preis zahlen zu müssen, erfordert also Geschick und Vorsicht und einen schweigsamen Bekanntenkreis.

Es ist eine typische Tatsache des digitalen Zeitalters, dass diese ganzen Daten uns Menschen normalerweise quasi als unsichtbar erscheinen. Wir vergessen schnell, wo wir was im Internet einmal geschrieben haben. Das Internet vergisst jedoch nichts. Und nichts ist für kundige Experten einfacher, als all die verstreuten digitalen Daten mit wenigen Mausklicks zu einem aussagekräftigen Profil zusammen zu stellen. Und dann schlagen die zuvor unsichtbar scheinenden Daten geballt zurück.

Wie dieser unsichtbare digitale Datengeist arbeitet, wollen die Redakteure der Wirtschaftswoche auch noch auf andere Weise als durch ihren Artikel deutlich machen. So schufen sie Reiner Fakeman: Grow Or Go: Reiner Fakeman Blog. Eine ausgedachte Person. Aber das hindert ihn nicht daran, nun im Internet als normaler Nutzer aufzutreten. Die Redakteure wollen so verfolgen, wie Reiner Fakemann vom Internet "aufgesaugt" wird und was bei Datenrecherchen über seine Person anschließend wieder ausgespuckt wird. Schön übrigens, das Motto "Grow Or Go" der Beraterfirma McKinsey persiflierend in dem Fakeman-Blog als Motto zu benutzen. Mehr über das eindimensionale Menschenbild von McKinsey beispielsweise in diesem lesenswerten ZEIT-Artikel: Steige auf oder aus.

Bleibt zu hoffen, dass zumindest die geplanten neuen Datenberge, die bald den Behörden zur Verfügung stehen, nicht in falsche Hände geraten. Zu nennen wären da die geplante Personenkennziffer (Heise.de: Grünes Licht für Personenkennziffer im Bundesrat), die geplanten Schüler-Identifikationsnummern (Spiegel.de: Kultusminister wollen gläserne Schüler) und natürlich die Vorratsdatenspeicherung (Übersichtsartikel von Heise.de zum Thema), die besonders brisant ist, weil deren Daten ja nicht in Behördenhand verwahrt werden, sondern auf den Computern der Telekommunikationsanbieter. Hier mögliche Datenschutzverletzungen im Nachhinein nachzuweisen, dürfte zudem schon rein technisch besehen nicht leicht sein.

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