Montag, 1. Januar 2007

Bloggen, Anonymität und PR

Don Alphonso greift - natürlich mit der gewohnten Polemik, die seine Texte so spannend machen - noch einmal das brisante Thema auf, ob Weblogs sich auf PR-Maßnahmen einlassen dürfen: Sauberes Verhalten gegenüber Firmen für PRlogger.

Er schlägt vor, dass Weblogs, die an PR-Maßnahmen teilnehmen (werbende Texte für Produkte verfassen), sich freiwillig auf eine Liste setzen lassen sollten. Der Transparenz wegen.

Das wäre vielleicht tatsächlich eine Lösung. Aber Don Alphonso erwähnt sofort, dass Weblogs und PR-Leute wahrscheinlich kein Interesse hätten, sich auf einer solchen Liste zu verewigen:

Spass beiseite: Transparenz ist das Letzte, was PR und Blogger in diesem Fall derartig deutlich sehen und betreiben wollten. Weil es in ihrem Fall die Sturzhöhe offensichtlich machen würde. Weil PR, die als solche erkennbar ist, weniger Einfluss hat, und weil die Authentizität eines Bloggers auf einem separat geführten PRlog dort nicht ankommt. Ich denke, das haben die letzten Monate deutlich gezeigt. Sie werden also weiter mauscheln und irgendwie hoffen, dass es keiner mitbekommt. (Quelle)


Stellt sich die Frage: Wie ist das eigentlich mit anonym geführten Weblogs? Stehen sie automatisch unter einem größeren Verdacht, eventuell Teil einer heimlichen PR-Kampagne von irgendeiner Firma zu sein?

Ich denke nicht. Vielleicht ist es eher umgekehrt: Nur ein Blogger, der mit realem Namen und Adressanschrift auftritt, ist auch ein attraktiver Ansprechpartner für mögliche PR-Firmen.

Es sei denn, dass ein Weblog direkt von einer PR-Firma anonym und verdeckt erst ins Leben gerufen wird. Wenn die PR-Firma dann jedoch etwas erreichen will mit diesem Weblog, muss das Weblog erst einmal an Einfluss gewinnen, sprich gute Texte abliefern. Die PR-Agentur müsste also erst einmal einen echten Mehrwert schaffen, ein eigenes, für sich selbst genommen wertvolles Produkt also erzeugen, an das man dann den eigentlichen Kundenauftrag, nämlich die Werbung für das Kundenprodukt, dranhängt. Ich bezweifle aber, dass PR-Agenturen interessante Weblog-Artikel verfassen können, die für sich genommen lesenswert sind. PR-Agenturen sind da nicht gut drin, weil es nicht ihr Job ist. Es gehört normalerweise nicht zu ihrem Aufgabengebiet, Texte um ihrer selbst willen zu verfassen, also Texte zu verfassen, die von sich aus interessant und lesenswert sind. Außerdem müssten sie dafür zusätzliche Arbeitszeit investieren mit der sehr, sehr ungewissen Aussicht auf Erfolg, sprich Interesse bei möglichen Lesern.

Eine Ausnahme könnte vielleicht ein Weblog sein, das ohne gehirnschmalzintensive Weblog-Artikel auskommt. Also vielleicht unkommentierte, bunt zusammengewürfelte, kaum redigierte Linklisten oder das Kopieren irgendwelcher im Netz kursierenden Albernheiten. Da es davon jedoch schon viele im Internet gibt, ist kaum davon auszugehen, dass ein solches, extra von einer PR-Firma für Werbezwecke aufgesetzte Weblog einen großen "Impact" haben wird.

Bleibt meiner Meinung nach folgende Möglichkeit: Ein von einer PR-Agentur aufgesetztes, anonym geführtes Weblog könnte allenfalls Teil einer Guerilla-Marketing-Taktik sein. Die Betonung liegt hier auf Teil. Ohne unterstützende Hilfe durch andere Medien bliebe solch ein Weblog wohl lange unentdeckt. Es sei denn, dass die Marketing-Aktion von sich aus eine Story erzählt, die so einzigartig, unterhaltend, fesselnd und überraschend ist, dass sie tatsächlich von anderen Bloggern verlinkt wird. Dann wird sie jedoch genau wegen der Story und nicht wegen des Produktes verlinkt. Tritt dann an irgendeiner Stelle das Produkt bei der Story in den Vordergrund, ist es zwar eventuell in aller Munde, aber vermutlich als Transporteur einer Enttäuschung nach dem Motto: "Och, die Story war nur Teil einer Marketing-Kampagne? Bäh. Blödes Produkt. Es hat die Story zerstört." Aber manche meinen ja, dass es keine schlechte Publicity gibt...

PR-Agenturen werden sich also zu 99% der Fälle (das habe ich jetzt ganz genau ausgerechnet) eher an ein bestehendes, erfolgreiches Weblog dranhängen, statt selbst so etwas aufzubauen. Und dann werden sie sich vermutlich eher an bereits namentlich bekannte Blogger richten. Ein anonymer Blogger mag zwar eventuell auch eine große Zahl an Lesern haben, aber ich denke, dass für eine PR-Agentur der Kontakt zu einer für sie eher "greifbaren" Person, die mit voller Adressanschrift bloggt, attraktiver ist.

Es gilt also: Anonymität sollte nicht verwechselt werden mit Unglaubwürdigkeit. Vermutlich ist die Versuchung für jene Blogger, die mit realem Namen und realen Adressdaten auftreten, sich von PR-Agenturen umgarnen zu lassen, größer als für anonym schreibende Blogger.

Oder?

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