Donnerstag, 4. Januar 2007

Deutschland: Nationalstolz statt Wohnung

Frankreich will seinen Bürgern ein Recht auf Wohnung zugestehen und dieses sogar einklagbar machen, meldet Heute.de: Frankreich: Recht auf Wohnung ab 2008.

Auch die Gesundheitsversorgung ist für Franzosen einklagbar, wie man im Artikel erfährt.

Dabei scheint es in Frankreich so geregelt zu sein, dass nicht untersucht wird, ob jemand aus eigener Schuld oder ohne eigenes Verschulden keine Wohnung oder kein Geld für die Krankenkasse hat. Aus unerfindlichen Gründen betrachtet Frankreich seine Bürger also als Menschen.

Das gilt in Deutschland nicht. Wer sollte das auch bezahlen? Schließlich ist Frankreich ungefähr siebzig Mal reicher als Deutschland. Glaube ich. Oder? Hier wird deswegen Arbeitslosen, die drei angebotene Jobs ausschlagen, seit dem 1. Januar alle Bezüge gestrichen. Kein Geld für Miete mehr, kein Geld für Essen mehr und auch aus der Krankenkasse fliegen sie raus. Ein Arbeitsloser, der drei Jobangebote ausschlägt, kann ja aber auch nicht mehr wirklich als "Mensch" bezeichnet werden.

Dafür ist Deutschland jetzt jedoch äußerst wettbewerbsfähig, wie Süddeutsche.de stolz meldet: Fast alle lieben Deutschland. Deswegen würden jetzt alle, also wirklich alle - von der Putzfrau bis zum Konzernchef - alle Deutschland nicht nur mögen, nein lieben. Ach, halt. Befragt wurden in der von Süddeutsche.de geschilderten Studie nur Manager. Na, die Putzfrau wird aber ganz bestimmt genau so denken wie die Manager. Das erzählen uns doch jeden Tag die Medien: Dass es der Putzfrau gut geht, wenn es dem Manager gut geht. Und aus unerfindlichen Gründen sind die Manager dann besonders glücklich, wenn der Sozialstaat eingedampft wird. Also ist auch die Putzfrau ganz glücklich, wenn der Sozialstaat eingedampft wird. Das haben die Franzosen nicht kapiert. Die armen.

Da setzt sich der französische Präsident für solch ein Gesetz ein. Hätte er sich mal ein Beispiel an unserem Bundespräsidenten genommen. Der hat dagegen die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland im Sinn, wie er in seiner letzten Weihnachtsansprache so schön vor Augen führte. Die Manager (und Putzfrauen) werden vor Freude tränende Augen gehabt haben als sie die wirklich hervorragend zum Weihnachtsfest, dem Fest des Wettbewerbs und des Ellenbogens, passenden mahnenden Worte von Horst Köhler vernahmen, der betonte, dass Deutschland vor allem eines werden müsse: Noch wettbewerbsfähiger! Und dass dazu leider, leider weitere Einschnitte unvermeidlich sein werden. Ja, ja, Frankreich hat halt keinen solchen weitsichtigen Bundesvorsitzenden der Deutschland-AG wie unseren Bundeshorst.

In Frankreich denkt man viel zu simpel. Da will man den Menschen direkt helfen. So geht das nicht. Es muss indirekt sein. Erst muss man der Wirtschaft alles, was sie wollen, in den Arsch schieben, dann wird auch noch was rausfallen, äh, abfallen für die restlichen gesellschaftlichen Gruppen. Also Abfall sozusagen. Wenn die Wirtschaft gut verdaut, hat eben auch die Putzfrau gut zu tun. Da braucht es keine Gesetze, die allen auf direktem Wege eine Wohnung geben wollen.

Und schließlich: Wie sieht so ein Gesetz denn aus! Das sieht doch so aus, als ob ein Staat seine Bürger alimentieren müsste! Kann daraus echter Nationalstolz erwachsen? Köhler und Merkel hingegen, denen floss der Nationalstolz nur so aus den Augen und Poren in ihren letzten Ansprachen zu Weihnachten und Neujahr! Weihnachten und Neujahr sind ja auch bekanntlich die Fest- und Gedenktage des Nationalstolzes.

Gut, ihre Ansprachen waren alles in allem eher nichts sagend. Also eigentlich herrlich nichts sagend. Vor allem die Ansprache von Merkel. Das war "Du bist Deutschland" als Kanzleransprache. Wie diese abstruse Werbeaktion der Arbeitgeber also, die für Deutschland werben wollte und den Mutlosen und Entrechteten im Land mit einem diffusen Nationalgefühl wieder aufhelfen wollte. Nach dem Motto: "Hey, was mault ihr über niedrige Löhne, unsichere Arbeitsplätze und immer weniger Sozialstaat und allgemein über die Entsolidarisierung der Gesellschaft und den schwindenden Einfluss des Staates als Regulierer und Nivellierer!? Wir hatten doch eine total genial, geile Fußball-WM! Ist das etwa nichts?! Also, dann seid mal schön ruhig, ihr Launeverderber!"

Also Leute, denkt daran: Der Franzose hat zwar demnächst ein Anrecht auf eine Wohnung, aber es mangelt ihm an einer entscheidenden Stelle: Er ist kein Deutscher!

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