Montag, 20. August 2007

Pläne für mehr Geld für Parteien: Der Ton macht die Musik

Die Meldung, dass die große Koalition plant, ein Gesetz zu ändern, um den Parteien mehr Geld aus den Steuereinnahmen des Staates zukommen zu lassen, stammt aus der "Bild am Sonntag". Deswegen ist wie immer und wie bei jeder Meldung dieser "Zeitung" allerhöchste Vorsicht geboten. Aber da bis jetzt kein Dementi aus der Politik gekommen ist, stimmt die Meldung wohl. Sie ist ja auch mit eines der Hauptthemen derzeit in der Presse.

Über den Sinn einer Erhöhung der Gelder für die Parteien könnte man ja eventuell sogar noch streiten. Wir leben halt in einer Parteiendemokratie, besser: einer Karikatur einer Demokratie, manche sprechen deshalb auch von einer Demokratur. Soll die funktionieren, müssen die Parteien ausreichend Geld haben. Die chinesische kommunistische Partei braucht ja auch Geld. Wer die derzeitige Parteiendemokratie will, der muss auch diese Dinger namens Parteien bezahlen.

Ich will diese Parteiendemokratie so nicht. Aber ein Wechsel hin zu einem System mit mehr direkter Demokratie und hin zu einem System, bei dem es tatsächliche Volksvertreter (und nicht nur Parteienvertreter) gibt, dauert und muss extrem sorgsam geplant sein. Also müssen wir noch eine Weile mit diesen Parteien leben, bis sich eine breite, zivile Bevölkerungsmehrheit organisiert hat und es einen unüberhörbaren, breiten, wohl ausformulierten, gesellschaftlichen Konsens für mehr direkte Demokratie und einer Beschneidung der Macht der Parteien gibt, so dass sich die Parteien dem nicht mehr entgegenstellen können.

Im übrigen ist bei diesem aktuellen Vorfall von Parteien-Ignoranz gegenüber dem Wähler nicht das Geld das Problem. Sondern die Art und Weise, wie die große Koalition mit dem Thema umgeht: Geradezu heimlich wird da ein neues Gesetz geplant. Es wird nicht kommuniziert mit dem Wähler. Ich hätte erwartet, dass die Parteien vor der Herauskristallisierung eines fertigen Gesetzesentwurfs zunächst das Problem als solches von sich aus offensiv an die Öffentlichkeit getragen hätten, um quasi mit dem Wahlvolk gemeinsam zu diskutieren, ob sich die Parteien eine derartige Finanzspritze genehmigen dürfen. Stattdessen kommt das ganze anscheinend eher wie eine Art Unfall aus Versehen an die Öffentlichkeit. Dieses verschwörerische und sich vor der Öffentlichkeit versteckende Verhalten von SPD und Union offenbart mehr über die Natur unserer Parteiendemokratie als die Kosten, die die Parteien dem Steuerzahler verursachen.

Der Protest gegen die Pläne von SPD und Union wird maximal noch zwei, drei Tage in den Medien andauern. Anschließend werden die Kommentare überwiegen, dass die Parteien schon Recht hätten mit ihrer Forderung. Eine echte Opposition gegen Vorhaben von SPD und Union wird es mit den deutschen Medien niemals geben. Man ist staatstragend. Die Politik-Experten in den Medien werden merken, dass die Parteien so oder so ihre Pläne durchziehen werden. Will man nicht in eine Haltung der Fundamentalopposition verfallen (und das können die Medien nicht, weil sie abhängig sind von den Politikern), muss man sehr schnell Schweigen über die strittigen Pläne ausbreiten oder die Kurve kriegen und dem Vorhaben gute Seiten abgewinnen. Noam Chomsky erläutert diese Selbstzensur von Medien in westlichen "Demokratien" übrigens in einem lesenswerten Artikel in der Monde Diplomatique (via Nachdenkseiten).

Aber der Einfluss der etablierten Medien auf die öffentliche Meinung ist im rapiden Verfall begriffen. Das birgt Chancen, aber auch Gefahren. Wenn unsere Politiker in Zukunft weiter derartige schmutzige Spielchen spielen (andere Beispiele hierfür sind die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung oder die Pläne für Online-Durchsuchungen), statt ihre Pläne offen und ehrlich mit der Öffentlichkeit zu diskutieren, könnte sich eines Tages bei fehlender Beschwichtigungswirkung der etablierten Medien eine gefährliche Stimmung im Volk breit machen, die nicht mehr nur von Resignation wie derzeit geprägt ist.

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