Montag, 11. Dezember 2006

Gutachter verteidigt Mord mit angeblich tödlicher Wirkung von Computerspiel

Spiegel.de berichtet, dass die Verteidiger eines Jugendlichen, der im Juli in Cottbus einen Obdachlosen misshandelt und getötet hatte, den Hirnforscher Manfred Spitzer als Gutachter geladen haben: Gutachter macht Videospiel für Tötung verantwortlich. Der Spiegel.de-Artikel schlussfolgert:

Der Prozess dürfte der Diskussion um die Wirkung gewalttätiger Computer- und Videospiele neue Nahrung geben. (Quelle)


Nö, das glaube ich nicht. Es mag zwar der Wunsch von Spiegel.de und manchen Politikern sein, aber was im Artikel nur am Rande zum Ausdruck kommt:

Spitzer vertritt eine äußerst radikale Sichtweise in Bezug auf die Wirkung von Medien. Radikal in dem Sinne, dass er mit seiner These ziemlich alleine dasteht und radikal in dem Sinne, wie Computerspiele angeblich wirken sollen. Er geht nämlich von einer direkten, ungefilterten, nicht beeinflussbaren, automatischen Wirkungsweise aus: Das Gehirn würde durch Computerspiele in einer Art deterministisch geformt, dass der Computerspieler anschließend willenlos das gelernte Computerspielverhalten wie ein Roboter auch in der Realität ausüben muss.

Wenigstens erwähnt Spiegel.de noch am Rande, dass anscheinend auch Alkohol im Spiel war. Der angeklagte Jugendliche konnte es anscheinend nur schwer ertragen, zu verlieren. Ein meines Wissens nach bekanntes Anzeichen für ein psychisches Problem. Vor allem bei einem 19-Jährigen.

Manfred Spitzer profiliert sich mit seinen Thesen vom direkten, ungefilterten Medieneinfluss auf die Gehirnstrukturen gerne in den Medien. Seine wissenschaftlichen Kollegen können dieser spektakulären These nur nüchterne und langweilige Fakten entgegensetzen, die besagen, dass der Einfluss von Computerspielen auf das reale Verhalten, wenn überhaupt nur kurzfristig (z.B. in Form von leicht erhöhter Aufgeregtheit nach dem Spielen am Computer) wirksam ist und langfristig nur bei eh bereits gewalttätig eingestellten Menschen einen diffusen negativen Einfluss haben.

Mehr zu Manfred Spitzer und seine Thesen und zum Thema "Killerspiele" überhaupt in meinen älteren Weblog-Einträgen "Expertenstreit um Killerspiele?" und "Medien kontern Killerspiel-Verbotsrufe".

Es ist meines Wissens nach das erste Mal, dass ein Vertreter der Gruppe von Hirnforschern, die die gewagte wissenschaftliche These vertreten, dass der Mensch eigentlich keinen eigenständigen, freien Willen besitze, vor Gericht auftritt und diese These anscheinend teilweise als Entlastung für den Angeklagten anwendet. Mal sehen, wie das Gericht damit umgeht.

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