Donnerstag, 8. Februar 2007

Hartz IV in Löbau als "Fünfjahresplan" der Wohnraumgestaltung

Die Frankfurter Rundschau berichtet jetzt auch über die seltsamen, künstlichen Wohnungsverkleinerungen in Löbau für Hartz-IV-Empfänger: Hartz IV-Folgen: Lüften erlaubt, Wohnen verboten.

Ich hatte ja gestern schon staunend meinen Kommentar dazu abgelassen: Hartz IV auf Ostdeutsch: Wenn alle leiden, fühlt man sich wohler.

Die Frankfurter Rundschau hat also die Story des MDR anscheinend nachrecherchiert und kommt im oben verlinkten Artikel zu dem Schluss: Angeblich hätten die Behörden in Löbau keine Wahl, wenn ein Hartz-IV-Empfänger eine etwas zu große Wohnung habe. Der Leistungsempfänger müsse selbst bei ein paar Quadratmetern zu viel entweder die überschüssigen Quadratmeter selbst zahlen oder aus der Wohnung ausziehen. Da es in Löbau und Umgebung jedoch nicht genügend kleinen Wohnraum gibt, hieße das in der letzten Konsequenz wohl Obdachlosigkeit.

Wenn dies so aus den Hartz-IV-Regeln folgt, wäre das einmal mehr ein interessantes Detail: Obdachlos wegen Hartz IV, weil die jetzige Wohnung um wenige Quadratmeter zu groß ist.

Ich meine gelesen zu haben, dass genau so etwas nicht aus den Hartz-IV-Regeln folgen soll oder sollte. Könnte natürlich sein, dass das vor kurzem von Müntefering weiter verschärft wurde und nun wie bei Leuten, die ein dreimaliges Jobangebot nicht eingehen, eine flächendeckende Obdachlosigkeit von Hartz-IV-Empfängern in Kauf genommen wird. Es würde gut zur Politik der Regierung passen, auch wenn es volkswirtschaftlich eine absolut vollkommen verrückte Sache wäre, Hunderttausende ganz bewusst der Gefahr der Obdachlosigkeit auszusetzen. Vielleicht spekuliert die Regierung ja darauf, dass ein so entstehendes Heer von Obdachlosen anschließend Hilfe durch internationale Hilfsorganisationen bekommen könnte. UN-Einsätze in Deutschland statt in Flüchtlingslagern in Afrika. Oder in Löbau scheint es niemanden zu interessieren, ob Hartz IV tatsächlich so angewendet werden muss, dass die Betroffenen notfalls tatsächlich auf die Straße müssten.

Wie sieht das eigentlich sonst in Ostdeutschland aus? Das Problem mit den zu großen Wohnungen und fehlendem kleinen Wohnraum gibt es doch überall wegen der vielen Plattenbausiedlungen. Werden da Hartz-IV-Empfänger, die keine kleinere Wohnung bekommen und den zusätzlichen Wohnraum nicht zahlen können oder wollen tatsächlich auf die Straße gesetzt?

Die merkwürdige Selbstkasteiung in Löbau (Mieter verzichten auf ein Zimmer, Vermieter verzichten auf Mieteinkünfte, Mieter lassen sich ein auf regelmäßige Kontrollbesuche durch den Vermieter) erinnert schon stark an den Umgang der Ostdeutschen mit den früheren Realitäten im real existierenden Sozialismus: Da man damals keinen Einfluss auf das Handeln der Behörden hatte, haben sich die Bürger halt durchgewurschtelt, egal wie surreal die Anordnungen der Behörden waren. Verändern tut sich so natürlich nichts. Früher konnte man auch nichts verändern. Aber heute wäre es doch schon mal interessant zu sehen, wie Löbau damit fertig würde, wenn unzählige Hartz-IV-Empfänger in ihren Wohnungen bleiben und auf den Deal mit der Zimmerschließung nicht eingehen. Kämen dann tausende von Räumungsklagen mit tausenden von Gerichtsprozessen und anschließend tausenden von neuen Obdachlosen auf Löbau zu? Würden die vermietenden Wohnungsbaugesellschaften sowas knallhart durchziehen und so viele Mieter verlieren? Wäre es nicht logischer, wenn die Wohnungsbaugesellschaften halt einfach den Mietpreis pro Quadratmeter senken würden, statt Zimmer zuzusperren? Dann entfielen auch die personalintensiven Kontrollgänge. Für die Wohnungsbaugesellschaften liefe es auf das gleiche hinaus und die Hartz-IV-Empfänger könnten selbst entscheiden, ob sie die Warmmiete durch Sparen der Beheizung eines Raumes weiter senken möchten. Wer außer den Löbauer Behörden, die so weiterhin stur ihre Regelung anwenden können, gewinnt also bei dieser Selbstkasteiung von Mietern und Vermietern?

Es ist wohl noch das alte Bewusstsein ehemaliger DDR-Bürger: Der Hartz-IV-Fünfjahresplan muss halt nach außen hin irgendwie eingehalten werden. Egal wie die Realität aussieht.

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