Wie schon einmal erwähnt, finde ich die sonntägliche Sendung "Late Edition" auf CNN sehr informativ. In zwei Stunden erfährt man viel zu einem Thema. Derartig informative Sendungen sind im deutschen Fernsehen bekanntlich verboten. Vermute ich zumindest.
Thema natürlich auch dieses Mal wieder: Der Irak. Die Skepsis wächst weiter, ob die staatliche Einheit des irakischen Staates gewahrt werden kann oder ob eine Aufteilung des Iraks eine notwendige Lösung wäre, um die Kämpfe im Irak zu befrieden, oder ob der Irak eventuell gänzlich in der Anarchie versinkt.
Eingeladen waren wieder etliche Politiker und Experten mit logischerweise äußerst unterschiedlichen Ansichten.
Der Autor Peter Galbraith meint, dass die Dreiteilung des Iraks die einzige gangbare Lösung sei. Man müsse den Realitäten ins Auge sehen, realisierbare Lösungen suchen. Und warum solle man zum Beispiel die Kurden im Norden zwingen, in einem Staat zu leben, in dem sie nicht leben wollen?
Der republikanische Senator Gordon Smith bezeichnet das Vorgehen der US-Regierung im Irak gar als möglicherweise kriminell. Er vergleicht es mit den Militärführern des ersten Weltkrieges, die ihre Soldaten täglich zu Tausenden in den Stellungskriegen ins Maschinengewehrfeuer des Gegners laufen ließen ohne Aussicht auf militärischen Erfolg. Solch ein Verhalten würde er als kriminell bezeichnen. Realisierbare Konzepte müssten deshalb im Irak verfolgt werden, keine utopischen. Die Iraker müssten sich um ihre Sicherheit selbst kümmern. Der Irak sei schließlich nicht Teil der USA.
Shibley Telhami vom Brookings Institut erklärt, dass die Nachbarländer des Iraks Angst vor einem auseinandergefallenen Irak hätten, genauso wie sie ebenfalls Angst vor El Kaida haben. El Kaida würde das syrische Regime genauso gerne zerstört sehen wie den Irak. Die USA haben derzeit keine Kontrolle mehr über den Ausgang der Geschehnisse im Irak. Die kritische Frage sei, wo die Prioritäten der US-Außenpolitik im Nahen Osten nun liegen. Die USA müssten Prioritäten setzen. Ist der Iran Hauptpriorität oder der Irak oder der Konflikt zwischen den Palästinensern und Israelis? Sind die Prioritäten klar, sollten die USA das wichtigste Problem angehen und es notfalls unabhängig und ohne Rücksichtnahme auf die Interessen in und bei den anderen Problemfeldern zu lösen versuchen.
Vali Nasr, Experte für Außenpolitik, plädiert dafür, den Iran als Problem an erste Stelle zu setzen, noch vor dem Problem Irak, El Kaida oder Nord-Korea. Der Iran gewinne in der Region immer mehr an Bedeutung und Einfluss. Der Iran sei Antagonist von Saudi-Arabien, aber auch der Iran will wie Saudi-Arabien keinen zusammengebrochenen Irak. Schon alleine wegen des dann erstarkten autonomen kurdischen Gebiets an seinen Grenzen, aber auch, weil ein zusammengebrochener Irak El Kaida nutzen würde. Aber natürlich möchte der Iran auch nicht die USA siegen sehen im Irak.
Soweit die langfristigen, strategischen Überlegungen der Experten. Kurzfristig werden die USA wohl zunächst einmal die Truppenstärke im Irak etwas erhöhen. Präsident Bush hat dem Kongress einen Plan vorgelegt, 20.000 zusätzliche Soldaten in den Irak zu schicken. Der irakische Vize-Präsident El Hashimi fordert ebenfalls zusätzliche US-Truppen. Die irakischen Truppen seien inkompetent und korrupt und könnten die Aufgaben der US-Truppen noch nicht übernehmen, so El Hashimi.
Der demokratische Senator Jack Reed zweifelt am Sinn von 20.000 zusätzlichen US-Soldaten und fragt, wie diese die Dynamik im Irak verändern sollen? Bagdad habe immerhin sechs Millionen Einwohner! Die Entsendung zusätzlicher Truppen sei nur symbolische Politik. Die Politik Bushs habe dazu geführt, dass der Iran mehr Einfluss bekommen hat. Aber da der Iran und Syrien ebenfalls keinen instabilen Irak wünschen, sollte man Gespräche mit ihnen aufnehmen.
Auch der republikanische Senator Jon Kyl zweifelt am Sinn von 20.000 zusätzlichen Soldaten. Er fordert, dass es gut ausgearbeitete Pläne geben muss, um diese zusätzlichen Truppen sinnvoll einsetzen zu können. Die kritische Frage bleibe, ob die USA es schaffen, die Dynamik im Irak zu verändern. Er sieht keine Möglichkeiten, mit dem Iran oder Syrien in Verhandlungen zu treten. Was solle man ihnen anbieten? Man könne den beiden Staaten Botschaften schicken und sie antworten mit Botschaften, das sei aber auch alles. Man könne letztlich weder dem Iran, noch Syrien vertrauen.
Reed und Kyl gehen anschließend auf die Warnungen mehrerer US-Generäle ein, dass die US-Armee insgesamt vor dem Zusammenbruch stehe, also nicht nur im Irak. Man schaffe es in der Heimat nicht, die Versorgung der Truppen vor allem mit personellem Nachschub in dem nötigen Maße zu realisieren. Sowohl Reed und Kyle fordern eine allgemeine Vergrößerung der US-Armee. Dies solle jedoch durch Anwerbung zusätzlicher Freiwilliger erfolgen und nicht durch eine allgemeine Mobilmachung. Kyl warnt außerdem, dass, wenn die größte Armee der Welt nicht in der Lage sei, an einem einzigen Ort einen Konflikt zu bewältigen, in der US-Armee einiges schief laufe.
Zum Schluss der Sendung wurden noch heutige Stimmen anderer wichtiger Persönlichkeiten zum Irak-Krieg eingeblendet: Der ehemalige US-Außenminister Colin Powell sagte in "Face the Nation" von CBS, dass die Situation im Irak tatsächlich als Bürgerkrieg zu bezeichnen sei, weil das reguläre Militär die Lage nicht mehr beherrschen würde. Der gewählte Führer der Mehrheit im Senat, der demokratische Senator Harry Reid, sagte in der Sendung "This Week" auf ABC, dass die Situation im Irak nicht militärisch lösbar sei. Der demokratische Senator Edward Kennedy prophezeite in der Sendung "Fox News Sunday", dass der Irak auseinander falle. Der Republikaner und ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, stellte schließlich in der NBC-Sendung "Meet the Press" fest, dass die Politik von Präsident Bush im Irak schlicht und einfach nicht erfolgreich sei.
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